Gerade heute bin ich im Abakus-Forum wieder einmal auf eine solche Diskussion gestoßen bei der die Definitionen schlichtweg falsch dargestellt wurden.
Grund also einmal die Definitionen und die Optimierungsansätze bei Absprungrate und Ausstiegen gerade zu rücken…
Die Ausstiege wurden im zitierten Beitrag mit
Das ist so nicht richtig!
Ich versuche die Ausstiege einmal an einem Beispiel darzustellen
Prinzipiell muss jeder Besucher irgendwo / irgendwann auf der Internetseite aussteigen. Man kann sich das am besten wie eine Fahrt mit der U-Bahn vorstellen:
Man kann stundenlang mit der U-Bahn fahren (= auf der Internetseite bleiben). Man kommt immer wieder einmal an Stationen vorbei an denen man schon war (=auf Unterseiten die man schon besucht hat) und irgendwann steigt man an einer Station (auf einer Seite) aus.
Gründe für den Ausstieg gibt es viele: man hat keine Lust mehr, man hat alle Stationen gesehen, man hat das Ziel erreicht, man muss umsteigen in ein anderes Verkehrsmittel (auf eine andere Internetseite) um das Ziel zu erreichen…
Wenn man nun versucht die Ausstiege (oder die Ausstiegsrate) zu interpretieren und für die Optimierung der Seite zu nutzen so muss man sich fragen (nicht in Analytics schauen an dieser Stelle sondern vorher festlegen), welche Seiten im eigenen Internetauftritt bevorzugte Ausstiegsseiten sind, welche Seiten am besten keinerlei Ausstiege haben sollen.
Ein klassisches Beispiel für auffällige Seiten in Bezug auf die Ausstiege sind Seiten aus dem Verkaufsprozess. Die Kaufbestätigungsseite (Herzlichen Glückwunsch, der Kauf war erfolgreich, Sie haben eine Mail bekommen…) hat erfahrungsgemäß eine sehr hohe Ausstiegsrate.
Besucher gelangen auf diese Seite nur indem Sie dem Kaufprozess folgen, ein direkter Einstieg über Suchmaschinen o.ä. sollte in der Regel nicht erfolgen. Da die Userintention (Kauf des Produktes) erfüllt ist steigen die meisten Besucher an dieser Stelle aus.
Es ist nicht schlimm sondern völlig o.k., dass eine solche Seite eine Ausstiegsrate von z.B. über 80 % hat! Eine Optimierung an dieser Stelle ist kaum sinnvoll und möglich. Sei es durch weiterführende Informationen oder zusätzliche Produkte: ein sinnvoller Anreiz für den Verbleib kann selten geschaffen werden. Der Kunde hat gekauft und verlässt den Laden, das ist so wie im stationären Einzelhandel: wenn der Kunde durch die Kasse gegangen ist und bezahlt hat ist es schwer ihn nochmals zu einem Gang durch den Laden zu locken…
Auf anderen Seiten innerhalb des Internetauftritts kann eine hohe Ausstiegrate aber ein deutliches Zeichen für ein hohes Optimierungspotential und für Probleme auf der Seite sein.
Bestes und anschaulichstes Beispiel sind hierbei Ausstiege innerhalb des Kaufprozesses, z.B. auf dem Weg vom Warenkorb zum Kaufabschluss. Sehr häufig betrifft so etwas Seiten, auf denen die Versandkosten oder aber die Zahlungsmöglichkeiten präsentiert werden. Wenn auf diesen Seiten hohe Ausstiege zu verzeichnen sind lohnt es sich häufig über eine Anpassung der Versandkosten oder aber über andere Zahlungsmodalitäten nachzudenken.
Natürlich gibt es auch andere Unterseiten eines Internetauftritts auf denen hohe Ausstiegszahlen (sowohl absolut als auch prozentual) vorliegen können. Ob diese „normal“ sind und ob und wie es ggf. sinnvoll ist die User an dieser Stelle auf dem Internetauftritt halten zu wollen kommt auf den Einzelfall an.
Da aber Ausstiege generell nicht zu verhindern sind ist es häufig so, dass eine Optimierung der Ausstiegsrate einzelner Seiten nicht wirklich erfolgsversprechend ist.
Daher ist eine genaue Analyse zwingend!
Erfolgsversprechender hingegen ist häufiger die Optimierung der Absprungrate (Bounce-Rate).
Im angesprochenen Beitrag heißt es dazu:
Diese Definition ist so nicht richtig!
In der klassischen Analytics Nutzung ist die Absprungrate nicht an irgendwelche Zeitvorgaben gekoppelt. Ein Absprung entsteht dann, wenn ein Websitebesucher nach nur einem Seitenaufruf den internetauftritt wieder verlässt.
Auf Wikipedia wird das mit folgender Grafik dargestellt:
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bounce_Rate
Es gibt allerdings die Möglichkeit den Analytics Code abzuwandeln, so dass die Absprungrate mit einer zeitlichen Komponente kombiniert wird. Wie so etwas geht steht z.B. hier
Mir geht es aber vor allen Dingen um die Interpretation der Absprungrate sowie die Intention einiger Webmaster die Absprungrate unbedingt verringern zu wollen.
Dabei ist das gar nicht immer zwangsläufig erstrebenswert die Absprungrate zu verringern!
Meiner Meinung nach ist die Absprungrate lediglich ein Indiz für den Webmaster die entsprechende Seite genau zu prüfen. (Google hat bislang nirgendwo bestätigt, dass die Absprungrate ein Rankingfaktor ist!)
Das kann man auch anhand vieler Seiten nachvollziehen. Es gibt Seiten zu bestimmten Themen die eine Absprungrate von 100 % haben – aber dennoch bei Google konstant top platziert sind.
Grund ist m.M. nach die sogenannte Return to Serp Rate, die von Google für das Ranking betrachtet wird. Es geht also darum, wie der User sich nach dem Absprung verhält.
Hierbei gibt es drei Szenarien:
- Ein weiteres Suchergebnis anklicken
Der User geht zurück zu Google und klickt eines der anderen Ergebnisse auf der Suchergebnisseite an.
Fazit für Google: der User hat bei der konkreten Suchanfrage auf der gewählten Seite nicht das gewünschte Ergebnis gefunden.
Wenn viele User sich so verhalten (Absprung und „weitersuchen“) ein eindeutiges Zeichen an Google das die betreffende Seite bei der entsprechenden Suchanfrage nicht weit vorne angezeigt werden muss.
- Die Suche verfeinern
Der User geht zurück zu Google und verfeinert bzw. erweitert die Suchnachfrage.
Wie genau Google das wertet hängt sicherlich von der Form der Sucherweiterung ab gekoppelt mit den semantischen Fähigkeiten von Google.
- Die Suchanfrage beenden
Der User kehrt nicht in die organische Google Suche zurück oder aber er kehrt zurück und sucht themenfremd weiter.
Fazit für Google: die Suchanfrage des Users wurde erfüllt. Es ist „sinnvoll“ die betreffende Seite bei der konkreten Suchanfrage in den organischen Suchergebnissen prominent zu listen da der User die gewünschten Informationen erhalten hat.
Das Problem was alle Webseitenbetreiber eint ist, dass wir nur die Absprungrate sehen könne, das Verhalten auf der Google Suchergebnisseite allerdings leider nicht.
Auch die Intention der User bei ihrem Seitenbesuch können wir häufig nicht genau beurteilen da die exakte Suchphrase selten bekannt ist.
Daher ist die Optimierung im Bereich der Absprungrate schwierig und muss häufig durch Testläufe erfolgen.
Klassische Seiten mit einer hohen Absprungrate sind:
- Kontaktseiten
Der User sucht nach der Telefonnummer oder der Adresse des Unternehmens. Er kommt auf die Kontaktseite, erhält die Info und springt ab. Die Absprungrate ist meist sehr hoch – aber nicht wirklich verbesserbar.
- Produktdaten
Der User sucht technische Details, Bedienungsanleitungen o.ä. Auf der Zielseite erhält der Besucher die nötigen Informationen. Der Absprung ist meist nicht zu verhindern. Auch die Präsentation von Sonderangeboten oder Zubehörteilen funktioniert meisten nicht. Das liegt daran, dass der User in seiner Intention gerade rein auf Informationsbeschaffung ausgerichtet ist und gar nicht „kaufen will“.
- Informationsseiten
Blogbeiträge, Erfahrungsberichte, Tests o.ä.
Wenn die Informationen hilfreich sind, so ist die Seite gut gerankt und bekommt zielgerichtete Besucher. Hier ist das Optimierungspotential meist sehr hoch wenn man die Userintention erkennt. Dann kann man relevante Beiträge, passende Produkte o.ä. präsentieren.
Manchmal hilft bei der Entscheidung ob und wie man Seiten mit hohen Absprungraten optimieren will der gesunde Menschenverstand.
Mit welcher Intention war der User unterwegs? Wie ist die Information meiner Zielseite im Bezug zur Userintention? Wird der User in seiner Intention „befriedigt“. Helfen ihm meine weiterführenden Angebote und Infos überhaupt?
Was / womit kann ich den User (in seiner Intention) auf der Seite halten?
Oder aber die Erkenntnis: der User bekommt von mir „was er braucht“. Er will einfach nicht bleiben – der Absprung ist o.k. weil ich sicher bin das der User bei Google nicht weitersuchen wird.
Ich hoffe, dass die Problematik „Ausstiege vs. Absprünge“ etwas klarer geworden ist…
Mal davon abgesehen, dass bei einigen Seitentypen eine hohe Absprung- oder Ausstiegsrate auch positiv zu werten ist. Beispielsweise Hilfeseiten zu technischen Problemen: hohe Absprungrate kann bedeuten, dass das Problem zufriedenstellend gelöst werden konnte. Auf Hilfeseiten können niedrige Absprungraten in der Hinsicht sogar negativ zu beurteilen sein (je nachdem natürlich, wie die Mehrzahl weiternavigiert).